Peter Weidisch, Kulturreferent der Stadt Bad Kissingen, gewährt Einblicke in den Prozess
Lang war der Weg, aber er hat sich gelohnt: Das Staatsbad Bad Kissingen ist Teil der renommierten UNESCO-Welterbeliste. Zusammen mit zehn anderen europäischen Kurorten und Heilbädern bewarb man sich 2011 unter dem Titel „Great Spas of Europe“ um Ernennung. Diese Orte begründeten im 18. und 19. Jahrhundert das Modell „Kurstadt“, um es bis heute auf herausragende Art zu verkörpern. Peter Weidisch, Bad Kissingens Kulturreferent und Projektleiter der UNESCO-Bewerbung „Great Spas of Europe“, war zusammen mit seinem Team maßgeblich am Prozess beteiligt und gibt Einblicke, welch enormer Aufwand hinter der Bewerbung stand, welche Rolle das fränkische Staatsbad dabei einnimmt und mit welchen Kulturschätzen die Stadt überzeugen konnte.
Was lange währt – der Weg zum Titel
Bereits 2011 schlossen sich die elf herausragenden Heilbäder – neben dem Bayerischen Staatsbad Bad Kissingen sind dies Karlsbad, Marienbad, Franzensbad, Spa, Baden-Baden, Bad Ems, Bath, Vichy, Montecatini Terme und Baden bei Wien – zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Ihr kulturelles Erbe in seiner großen Bedeutung mit dem begehrten Eintrag auf eine neue Ebene zu heben, es zu schützen und zu pflegen für die kommenden Generationen.
Früh war Peter Weidisch klar, welche bedeutenden Inhalte im Bewerbungs-Themenbereich „Kurstadt und Kurphänomen“ stecken, welche Vorteile eine Welterbe-Bewerbung für Bad Kissingen mit sich bringen würde und welch enormes Potential wiederum das Weltbad Kissingen in eine internationale Bewerbung einbringen kann: „Mein Streben war, Bad Kissingen von Beginn an in der sich langsam manifestierenden Bewerbergruppe zu positionieren und dazu unsere Stärken hinsichtlich Konzeption,
Integrität und Authentizität wissenschaftlich herauszuarbeiten“. Der Bad Kissinger Kulturreferent, im Amt bereits seit 1992, investierte viele Jahre intensiver Arbeit für das Nomination Dossier. Es galt zu beschreiben, was das Erbe ausmachen soll und wie es geschützt werden kann. Im Bewerbungsprozess glänzt Bad Kissingen zudem mit zwei internationalen Symposien - „Kurort und Modernität“ und „Balneologie und Kurortmedizin“. In Zusammenarbeit mit den verantwortlichen UNESCO-Koordinatoren der anderen Heilbäder kam es zu einem umfangreichen Ergebnis: Ein Werk aus 1.434
Seiten, der die größten Schätze des Kurwesens aus den sieben unterschiedlichen Staaten zusammenfasst.
Für Bad Kissingen erfolgte dann 2013 erstmals ein entscheidender Schritt: die Aufnahme auf die UNESCO-Vorschlagsliste der Bundesrepublik Deutschland. 2014 ging dann die Gesamt-Bewerbung „Great Spas of Europe“ in die Tentativliste der UNESCO ein. Danach sollte es noch weitere fünf Jahre dauern, bis die Bewerbungsunterlagen von den Oberbürgermeistern aller Kurorte und Heilbäder sowie den UNESCO-Botschaftern aller beteiligten Staaten im Januar 2019 in Paris unterschrieben wurden. Im darauffolgenden Sommer besuchten dann die Spezialisten von ICOMOS, der Beratungsorganisation für die UNESCO, alle elf Bewerberstädte, um weitere Einblicke zu erhalten. Und jetzt, im Juli 2021, endlich die Entscheidung des Welterbekomitees: Die „Great Spas of Europe“ und damit auch Bad Kissingen sind UNESCO-Welterbe.
Bad Kissingen überzeugt mit herausragenden Eigenschaften
„Alle Teilnehmer verkörpern gemeinsam die europäische Kurstadt und das europäische Kurphänomen in ihrer Vollendung, wie sie sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts herausgebildet haben. Das fängt bei einer bestimmten Infrastruktur und wertvoller Architektur an und hört auf bei einem breiten Angebot an Freizeit- und Unterhaltungsangeboten“, erklärt Weidisch den übergreifenden Charakter. Diesen in
Bad Kissingen zu bewahren und das Stadtbild gleichzeitig repräsentativ zu gestalten, dafür wurde im Staatsbad über die letzten 100 Jahre sehr viel getan. Die Ernennung ist für den Kulturreferenten nun die Würdigung dieser oft nicht einfach einzuhaltenden Richtlinien. Zusätzlich punktet Bad Kissingen mit zwei Alleinstellungsmerkmalen: Besonders ist dies zum einen das Kurgartenensemble mit seinem Garten selbst und den herausragenden Bauten der Stararchitekten Friedrich von Gärtner und Max Littmann sowie die lebendige Trinkkur rund um den Kurgarten. „Nach aktuellem Stand der Forschung ist unser Kurgarten der älteste weltweit und diente anderen Kurgärten als Vorbild“, so der Kulturreferent. Zum anderen ist Bad Kissingen der einzige Kurort der Serie mit dem im 19. Jahrhundert äußerst angesagten Heilmittel Sole. Die Technik zur Bereitung der Heilmittel „Gutsole“, die durch Gradierung hoch konzentrierte Sole, von Mutterlauge, dem hochmineralisierten Rückstand in der Pfanne am Ende des Siedeprozesses, und von Badesalz – alle wurden zur differenzierten Bereitung von Solebädern verwendet und sind bis heute erhalten und dabei einmalig. Außerdem hat Bad Kissingen immaterielle Elemente des Kurwesens, wie den Brunnenausschank durch die traditionellen Brunnenfrauen und das Kurorchester, die Staatsbad Philharmonie Kissingen, oder das „Kissinger Diktat“ von 1877, die von Reichskanzler Otto von Bismarck angestrebte europäische Friedensordnung, in unmittelbarer materieller Verbindung zur Oberen Saline, Bismarcks Wohn- und Regierungssitz in Bad Kissingen.
In großer Freude über das erreichte Ziel und „seine“ Stadt, verrät Peter Weidisch auch seinen persönlichen Lieblingsplatz: „Unter den vielen Orten, die ich hier in Bad Kissingen schätze, sticht der Schmuckhof im Regentenbau nochmal hervor – mitten im Kurquartier, mitten im Welterbe-Gebiet, nahe am Kurgarten und nahe der Altstadt. Und doch ein Ort der Ruhe und Besinnung“, schwärmt der studierte Historiker. Mit der Ernennung von Bad Kissingen zum UNESCO Welterbe geht endlich für ihn
und sein Team ein Traum in Erfüllung.
Weitere Informationen unter:
www.welterbe.badkissingen.de