ANNI STERN (1924 - ?), Schülerin, Hemmerichstraße 12

Anni Stern wurde am 6. August 1924 als Tochter von Josef und Thekla Stern in Bad Kissingen geboren. Sie lebte zusammen mit ihrer Familie in der Hemmerichstraße 29 (heute Nr. 12), wo ihr Vater einen Eisenwaren- und Landmaschinenhandel betrieb. Nach vierjährigem Besuch der Kliegl-Volksschule wechselte Anni auf das Mädchenlyzeum der Englischen Fräulein in Bad Kissingen.
 




Anneliese Metzger, eine Banknachbarin Annis, beschreibt ihre Mitschülerin:

“... Sie war klein, feingliedrig, hatte krauses Haar, eine leise Stimme, war unauffällig. ... Anni Stern war sehr zurückgezogen. Sie war still und schwätzte kaum. Ob Anni Stern wohl eine Freundin in unserer Klasse hatte? Ich glaube nicht. ... Anfänglich plauderten wir wohl mit ihr vor und nach dem Unterricht und in der Pause, so wie es Schulkinder eben tun. Aber allmählich wurde es anders. Einige in unserer Klasse gingen zum BDM. ... Die BDM-Mädchen brachten dann auch neue Ideen mit und sagten uns, dass man mit Juden nicht reden dürfe. Es war ein ungutes Klima. Bald getraute sich keine mehr, mit Anni Stern auch nur ein Wort zu sprechen. Lief man doch Gefahr, als Judenfreund angeprangert zu werden. So stand Anni Stern in der Pause allein meist an die Mauer gelehnt oder im Gespräch mit Liesl Ehrlich, einem anderen Judenmädchen, das in der Klasse unter uns war. ... Eines Tages - bereits vor der Reichskristallnacht - war Liesl Ehrlich nicht mehr da. Die Familie Ehrlich war wohl ... ausgewandert. Nun war Anni Stern ganz isoliert. ... Schließlich kam der November 1938 und mit ihm die sogenannte Reichskristallnacht. ... Anni Stern war an diesem Morgen nicht in der Schule. Ich habe sie nie mehr gesehen."

In den nächsten Jahren lebte Anni zusammen mit ihrer Mutter offensichtlich recht zurückgezogen, wie sie ihrem Bruder Ludwig, der 1939 allein in die USA emigriert war, in Briefen mitteilte:

"Ich würde Dir gerne öfters und mehr schreiben, aber was soll ich aus meinem eintönigen Leben berichten. Früh morgens arbeite ich im Haushalt, gehe einkaufen, nachmittags lerne ich Englisch oder gehe mit lieber Mutti spazieren. ... Hoffentlich können wir bald zu Dir kommen."

Anni schrieb ihrem Bruder sogar auf Englisch, erbat von ihm Ratschläge, wie sie sich auf das Leben in den Vereinigten Staaten vorbereiten konnte. Sehnsüchtig hoffte sie auf die Ausreise. Ihre Hoffnungen wurden nicht erfüllt. Am 24. April 1942 wurde die erst 18-jährige Anni zusammen mit ihrer Mutter und anderen Kissinger Juden über Würzburg ins Ghetto Izbica bei Lublin deportiert und gilt seither als verschollen.


Stolperstein-Paten: Familie Walter
Text: Marlies Walter

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