DANIEL LIEBMANN (1876 - ?), Textilkaufmann, Untere Marktstraße 1
Im Jahr 1913 verlegten die Gebrüder Liebmann ihr Textilgeschäft nach Bad Kissingen, wo sie dann auch wohnten. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Daniel Liebmann zur Freiwilligen Sanitätskolonne in Bad Kissingen, bevor er Ende August 1915 zur Infanterie einberufen wurde. Mitte Dezember 1918 wurde er als Gefreiter aus dem Kriegsdienst entlassen. Er erhielt als Auszeichnung das Bayerische Militärverdienstkreuz sowie das Frontkämpferabzeichen und wurde Mitglied im „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“.
Am 16. November 1934 wurde das Textilgeschäft in der Unteren Marktstraße auf polizeiliche Anordnung geschlossen. Daniel und Louis Liebmann wurden unter dem Vorwand „unberechtigter Preissteigerungen“ verhaftet. In den nachfolgenden Tagen begann die „Mainfränkische Zeitung“ einen massiven Propagandafeldzug gegen die Liebmanns und diffamierte sie als „Schädlinge und Wucherer“. Daniel Liebmann versuchte aus dem Bad Kissinger Gefängnis heraus in einer schriftlichen Stellungnahme die Anschuldigungen zu entkräften, hatte aber keinen Erfolg. Erst gut einen Monat später - am 18. Dezember 1934 - wurde er mit seinem Bruder aus der „Schutzhaft“ entlassen, da sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen. Zwischenzeitlich war das Geschäft von den Ehefrauen der Inhaftierten wieder geöffnet und geführt worden.
Bis zu seiner Verhaftung in der Pogromnacht vom 9. November 1938 führte Daniel Liebmann das Geschäft weiter. Am 12. November 1938 wurde er aber zusammen mit anderen Kissinger Juden, darunter seinem 17-jährigen Sohn Arno und seinem Bruder, von der Gestapo abgeholt und nach Würzburg gebracht. Während sein Sohn nach zwei Tagen wieder entlassen wurde, kam Daniel Liebmann für einige Tage ins KZ Dachau. Bei einer erneuten Vorführung durch die Gestapo in Würzburg am 22. November wurde ihm deutlich gemacht, dass er im Fall einer Auswanderung seinen Besitz vorher zu veräußern habe. Daniel Liebmann und seine Frau hatten bereits im August 1938 beim Amerikanischen Konsulat in Stuttgart ein Einreisevisum beantragt. Während Sohn Arno und Bruder Louis mit Familie im Jahr 1939 in die USA emigrieren konnten, blieb Daniel und Anna Liebmann dieser Weg verschlossen, weil sich für die Einreise trotz intensiver Bemühungen keine geeigneten Bürgen in den USA fanden. Im Jahr 1940 wurde Daniel Liebmann von der Stadt Bad Kissingen zu Zwangsarbeiten verpflichtet. Ein Jahr später (1941) musste er mit seiner Frau Anna aus der Unteren Marktstraße 11 in das daneben liegende sogenannte „Judenhaus“ umziehen.
Am 24. April 1942 wurden Daniel und Anna Liebmann nach Würzburg gebracht, obwohl der Amtsarzt den 66-Jährigen wenige Tage zuvor für arbeits- und transportunfähig erklärt hatte. Zwei Tage vor ihrer Deportation hatte das Ehepaar an seinen Sohn geschrieben: „ ... Es wäre unser größter sehnlichster Wunsch, mit dir ... vereint leben zu können .... Wir werden in den nächsten Tagen nach Polen abtransportiert.“ Diese Hoffnung der Liebmanns erfüllte sich nicht. Am 25. April wurden sie von Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert, wo beide als verschollen gelten.
Stolperstein-Paten: Josefine und Herbert Kleinhenz
Text: Marlies Walter