ELSE LÖWINSKY (1883 - 1942), Hotelier, Untere Marktstraße 3
Welchen kaufmännischen Beruf Elses Vater Isidor in Berlin-Wilmersdorf ausübte, ist uns unbekannt, ebenso wie seine Lebensdaten. Vielleicht war er Gastronom oder Hotelier, weshalb Ehefrau und Tochter in Bad Kissingen ebenfalls zu Hoteliers wurden? Bekannt ist uns nur, dass Vater Isidor schon vor 1913 gestorben ist. Denn in der Sommersaison1913 ist Ehefrau Rosamunde als Witwe allein und erstmals in Bad Kissingen im Haus Salinenstraße 11 gemeldet. Ob sie dort bereits Zimmer an Kurgäste vermietet hat oder selbst nur während der Sommermonate zu Gast war, ist nicht festzustellen. Im nächsten Sommer 1914 wohnte auch Tochter Else mit ihr gemeinsam in der Salinenstraße.
Schon im folgenden Jahr 1915 betrieben beide ab 19. April bis Ende September als Pächter das „israelitische Hotel“ von Moses Herzfeld in der Maxstraße 4 (heute das Vordergebäude des Hotels „Bayerischer Hof“, Maxstraße 9). Als dessen Besitzer war allerdings Gustav Löwinsky (1868-1927) eingetragen, dessen Identität uns unbekannt ist. Nach mehrmonatiger Winterpause waren Else und Mutter Rosamunde ab 21. März 1916 wieder im Hotel Herzfeld gemeldet, das Rosamunde von nun an ganzjährig bis Ende Dezember 1920 betrieb.
Ab 1. Januar 1921 unterstützte die inzwischen 37-jährige Else, die anscheinend niemals einen Beruf erlernt hatte und zeitlebens unverheiratet blieb, ihre Mutter im Betrieb des eigenen Hotels Löwinsky am Marbachweg 2. Die Mutter hatte das aus mehreren Gebäudeteilen bestehende Hotel Das Hotel Schmitt (1888), ab 1921 Hotel Löwinsky Else Löwinsky (1883-1942), Hotelier Untere Marktstraße 3 von Hermann Schmitt gekauft. Erst 1932, als die Mutter mit 71 Jahren in den Ruhestand gehen wollte, verkaufte sie ihr Hotel Löwinsky an die Süddeutsche Vermögensverwaltungsgesellschaft „Tutella“ in München. Heute ist das Hotelgrundstück nur noch ein Parkplatz des Sanatoriums Fürstenhof, da erste Gebäudeteile bereits 1938, die verbliebenen schließlich 1960 abgerissen wurden.
Nach dem Hotelverkauf wohnte Else mit ihrer Mutter ab Juni 1932 im Mietshaus des jüdischen Kunsthändlers David Kugelmann in der Theresienstraße 2 (heute Restaurant-Café am Rosengarten). Nachdem ihre Mutter am 18. Dezember 1940 verstorben war, zog Else – inzwischen 58 Jahre alt – am 1. September 1941 ins Haus des jüdischen Kaufmanns Samuel Hofmann in der Unteren Marktstraße 12 (heute 3, Bankhaus Schilling).
Nach nur acht Monaten in der Unteren Marktstraße wurde die alleinstehende Else Löwinsky auf Anweisung des Nazi-Regimes – nach überstürztem Verkauf ihres Eigentums nur binnen einer Woche – wegen „kurzfristiger Evakuierung“, wie es amtlich hieß, am 20. Mai 1942 nach Würzburg ins jüdische Altersheim in der Albrecht-Dürer-Straße 20 verbracht. Dort blieben Else nur noch vier Monate vergönnt, denn schon am 23. September 1942 wurde die 59-Jährige im „2. Nürnberger Transport II/26“ als Nummer 283 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Zuvor hatte sie einen sogenannten „Heimeinkaufsvertrag“ für Unterbringung und Versorgung im Ghetto abschließen müssen, womit die Nazis auf scheinbar legale Weise den Deportierten ihr letztes Hab und Gut nahmen. In Elses Fall waren dies genau 375 Reichsmark.
Der uns vorliegende Totenschein aus dem Ghetto Theresienstadt gibt bereits den 12. Oktober 1942 als Elses Todestag an, Todeszeitpunkt 17:10 Uhr. Als einzige Verwandte im Ghetto wird Elses Tante Martha Gerson aus Berlin genannt. Als Todesursache ist ein Herzfehler angegeben. Aus einem Brief vom 27. Juni 1946 der ebenfalls aus Bad Kissingen stammenden Theresienstadt-Überlebenden Emilie Schloß kennen wir allerdings die wahre Todesursache: „Fräulein Löwinsky entleibte sich selbst.“
Stolperstein-Patin: Gavin M. Peacock
Text: Sigismund von Dobschütz