EMILIE SCHLOSS (1875 - 1947), geb. Holländer, Maxstraße 31
Im Jahr 1940 bemühte sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter Thekla um eine Ausreise nach Palästina. Die beiden wollten sich dem von einem Herrn Lypold organisierten Sammeltransport anschließen, wofür Emilie einen handschriftlichen Antrag bei der Gestapo-Dienststelle in Würzburg stellte. Um mit diesem Transport der Naziherrschaft zu entkommen, reisten sie nach Frankfurt und besuchten dort auch Sanitätsrat Dr. Siegfried Wahle, den sie noch aus dessen Bad Kissinger Zeit als Arzt kannte. Am Ende scheiterte die Auswanderung dann doch.
Zurück in Bad Kissingen wurden Emilie Schloß und ihre Tochter am 20. März 1941 vom Amtsgericht Bad Kissingen wegen eines Devisenvergehens verurteilt. Das Berufungsgesuch der Verurteilten wurde kostenpflichtig verworfen. Das Landgericht Schweinfurt verhängte schließlich über die Mutter eine Haftstrafe von fünf Monaten und eine Geldstrafe von 4.300 Reichsmark. Laut Urteilsbegründung hatte es sich um den Versuch der ungenehmigten Mitnahme von Umzugsgut sowie mehrfache Verstöße gegen Devisen-Anordnungen der Finanzdirektion Würzburg gehandelt. Es wurden 372,50 Reichsmark Vermögen und 1.450 Reichsmark an Wertgegenständen eingezogen.
Ihre Haft verbüßte Emilie Schloß im Frauengefängnis Rothenfeld am Ammersee. Gleich nach ihrer Entlassung wurde sie am 11. August 1942 in das jüdische Alten- und Pflegeheim in Würzburg gebracht, in dem bereits einige Bad Kissinger Juden einquartiert waren.
Am 23. September 1942 wurde sie unter der Evakuierungsnummer 670 in das KZ Theresienstadt deportiert. Als eine von etwa 5.000 deutschen Juden wurde sie 1945 aus Theresienstadt befreit. In einem Brief an den Sohn des Sanitätsrats Wahle vom 27. Juni 1946 berichtete sie über ihre schlimmen Erlebnisse im Konzentrationslager:
„[…] Als ich von Kissingen sr. Zt. [seiner Zeit] weg kam, war ich einige Wochen in Würzburg, dann kam plötzlich der Befehl, wir müssen sofort nach Theresienstadt, wie wir dort ankamen[,] mussten [wir] durch die Strassen gehen wie die armen Sünder, dann lies man uns in die Höfe der Häuser stehen ohne Speise & Trank bis zum Abend, dann gab es schlechte Suppen & ein Nachtlager auf Stroh. Die Männer waren unten, und die Frauen am Boden untergebracht, so war ich ungefähr 3 Jahre dort. […] Die meisten Leute arbeiteten am Bahnbau, es wurde alles hergerichtet[,] ein Kurgarten wurde gerichtet & allerlei Neuerungen wurden gemacht, dann gingen alle Monate Transporte[,] es hieß[,] die Leute kämen zur Arbeit fort, stattdessen kamen sie zur Vergasung fort auf Nimmerwiedersehen. […] Ich bin die einzig Gerettete, durch Gottes Wunder. Eines Tages hieß es, ich komme z. Transport. Habe meine Habseligkeiten gepackt, mein Bett, Kleider alles & ging mit den andern zur Bahn, alle hatten schon Nummern und es ging fort[,] da frug ich den Beamten[,] was ich machen soll, ich habe keine N. [Nummer], da sagte er, seien Sie froh, dass Sie da sind, die Sachen bekommen Sie wieder, er wusste schon alle verloren[,] alle zum Vergasen geschickt.“
Emilie Schloß verbrachte nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager mehr als eineinhalb Jahre in einem Heim für „Displaced Persons“ in der Schweiz. Eigentlich beabsichtigte sie, von dort nach Palästina auszuwandern, wo ihre jüngereTochter Gitta mit Familie bereits lebte. Doch wegen ihrer schwachen Gesundheit starb sie im Frühjahr 1947 noch in der Schweiz und wurde in Zürich-Witikon beigesetzt.
Stolperstein-Patin: Erika Rust
Text: Andreas Reuter