LUDWIG LOEWENTHAL (1898 - 1944), Bankier, Ludwigstraße 5
Im Jahre 1922 gründete Ludwig Loewenthal in Bad Kissingen aus kleinen Anfängen heraus ein Bankgeschäft, das sich in exponierter Lage an der Ecke Ludwigstraße/Theresienstraße befand. Neben den üblichen Geld- und Devisengeschäften verdiente die Bank ihr Geld mit Versicherungsgeschäften. Außerdem gab es im Bankhaus eine Vertretung großer Reedereien wie der Cunard-, Anchor- und der Donaldson-Linie. Loewenthal warb mit der „Beförderung von Passagieren und Verfrachtung von Waren nach allen Erdteilen“.
Nicht nur beruflich, sondern auch politisch spielte Loewenthal im Bad Kissinger Stadtleben eine wichtige Rolle und setzte sich engagiert gegen den aufkommenden Nationalsozialismus in der Kurstadt ein. Er war Schriftführer in der Kissinger Ortsgruppe der linksliberalen „Deutschen Demokratischen Partei“, die die Weimarer Republik als erste demokratische Staatsform in Deutschland zu stützen versuchte. Außerdem war er Gründungsmitglied der Bad Kissinger Sektion des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“. Dieser Kampfverband hatte sich zum Ziel gesetzt, die Weimarer Republik gegen die Feinde aus dem rechten und linken Lager zu verteidigen. Wegen seines politischen Engagements gehörte Loewenthal zu den ersten Bad Kissinger Juden, gegen den die Nationalsozialisten nach ihrer „Machtergreifung“ vorgingen.
Schon im März 1933 wurde er vorübergehend in „Schutzhaft“ genommen. Nach seiner Freilassung organisierten die Nationalsozialisten am 20. Mai 1933 eine Kundgebung vor seinem Bankhaus, in deren Verlauf Sprechchöre die erneute Verhaftung des Bad Kissinger Bankiers forderten. Loewenthal wurde noch am gleichen Tag festgenommen und ins Landgerichtsgefängnis nach Schweinfurt überführt. Nach seiner Entlassung kam er nicht mehr nach Bad Kissingen zurück, sondern lebte einige Monate bei seinem Bruder Martin in München und Bad Tölz. Die beiden Verhaftungen mussten den Bankier davon überzeugt haben, dass es für ihn und seine Familie im nationalsozialistischen Deutschland keine Zukunft mehr gebe.
So entschloss sich Loewenthal zur Emigration in die Niederlande. Zwischen Oktober 1933 und Januar 1936 lebten er und seine Familie in Den Haag. Anschließend wohnten sie für mehrere Monate in Voorburg, einer Stadt nordöstlich von Den Haag, bevor sie im November 1936 nach Amsterdam umzogen. Dort betrieb Loewenthal laut Einwohnermeldekarte einen Fahrradladen. Außerdem wurde ihm von Deutschland aus eine Rente überwiesen. Von der Rheinischen Girozentrale und Provinzialbank (Zweigstelle Aachen) erhielt er monatliche Zahlungen. In Amsterdam blieb die Familie Loewenthal nicht allein. Im September 1937 folgte ihnen die Familie von Ludwigs Schwester Irma, die dort sogar in der gleichen Straße wohnte. Auch Ludwigs Schwiegereltern, Hermann und Amalie Kohn aus Gerolzhofen, lebten ab Februar 1939 in Amsterdam.
Den Nationalsozialisten ging es in der Heimat vor allem darum, Loewenthals Besitz an sich zu reißen. Sie prüften, ob der Bankier Steuerschulden beim Finanzamt in Bad Kissingen oder Bad Neustadt hinterlassen habe. In diesem Fall hätten sie ihn sofort ausbürgern und sein Vermögen beschlagnahmen können. Doch diese Möglichkeit bestand zum Bedauern der Nationalsozialisten nicht. Ausführliche Recherchen des Finanzamts Bad Kissingen und des Landesfinanzamts Würzburg hatten zum Ergebnis, dass Loewenthal ein gut situierter Mann war: Durch seine Bankgeschäfte bestanden Forderungen von etwa 90.000 Reichsmark. Daneben besaß er ein Guthaben- und Wertpapierdepot im Wert von 13.000 Mark und zwei kleinere Grundstücke im Gesamtwert von 5.900 Mark. Damit das Finanzamt Moabit-West in Berlin das gesamte Vermögen beschlagnahmen konnte, entzog man Loewenthal, seiner Ehefrau und seinem Sohn am 26. Oktober 1937 die deutsche Staatsangehörigkeit. Außerdem versuchte man, Loewenthals früherem Prokuristen Alfred Amrhein aus Winkels nachzuweisen, den Kauf seiner Gärtnerei mit Geldern des Bankhauses Loewenthal finanziert zu haben. Dieser Nachweis konnte jedoch nicht erbracht werden.
Nachdem die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 die Niederlande besetzt hatte, verschlechterte sich auch der Alltag der Familie Loewenthal in Amsterdam. Drei Jahre später wurde Ludwig mit dem Transport XXIV/1-199 am 22. April 1943 von dort nach Theresienstadt deportiert, wo er am 21. Februar 1944 starb. Ehefrau Rose Loewenthal, die sich in Holland mit ihrem Mädchennamen Rose Kohn registrieren ließ, konnte den Holocaust überleben. Allem Anschein nach gelang es ihr, in Amsterdam unterzutauchen. Auf ihrer Meldekarte sind weder eine Erfassungsnummer durch die deutsche Besatzungsmacht noch ein Vermerk über die Deportation in ein Konzentrationslager verzeichnet. Ab November 1946 lebte sie in New York, wo sie noch einmal heiratete und den Familiennamen Lowell annahm.
Stolperstein-Pate: Vereinbeirat Bad Kissingen
Text: Schülerinnen und Schüler der Arbeitsgruppe Geschichte an der Staatlichen Realschule Bad Kissingen unter Leitung ihres Lehrers Andreas Reuter