PAULA NEUSTÄDTER (1896 - ?), geb. Bacharach, Hausfrau, Promenadestraße 2

Paula Neustädter wurde am 18. Oktober 1896 als Tochter des Viehhändlers Moses Bacharach und dessen Ehefrau Lina in Rhina geboren, jenem Dorf im nordöstlichen Hessen, das zu dieser Zeit der einzige Ort in Preußen mit jüdischer Bevölkerungsmehrheit war. In diesem strenggläubigen Umfeld lernte Paula in der jüdischen Volksschule die fünf Bücher Mose und ausgewählte Kapitel aus den Propheten kennen ebenso wie die hebräische Sprache und Grammatik.
 


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Nach der Heirat mit Gustav Neustädter lebte Paula in Adelsdorf, Maßbach und schließlich seit 1924 in Bad Kissingen. Zunächst wohnte die Familie in der Spitalgasse 10, zog dann aber ins Erdgeschoss des jüdischen Gemeindehauses um (Promenadestraße 2), das neben der Synagoge stand. Als das jüdische Gemeindehaus mit dem Grundstück Maxstraße 10 und der Ruine der ausgebrannten Synagoge nach der Pogromnacht 1938 an die Stadt Bad Kissingen verkauft werden musste, zog die Familie in die Hemmerichstraße um.

Über Paulas Neustädters Leben in Bad Kissingen gibt es leider nur wenige Informationen. Ihre Hauptaufgabe bestand wohl darin, den Haushalt zu führen und die drei Söhne großzuziehen. Den Fotos, die von ihr noch erhalten sind, ist zu entnehmen, dass sie eine freundliche, schlanke, mittelgroße Person mit halblangen schwarzen Haaren war, die eine Brille mit runden Gläsern trug. Für die Mutter muss es mit viel Schmerz verbunden gewesen sein, ihre zwei ältesten Söhne in die Fremde zu entlassen, um dem Nazi-Terror zu entkommen. Jakob emigrierte bereits 1938 in die USA, Siegfried wurde 1939 in die Schweiz geschickt, wo er bis zu seiner Ausreise nach Israel im Jahr 1946 in einem Heim lebte.

Nur wenige Tage vor ihrer Deportation ins Ghetto Izbica schrieb Paula Neustädter trotz eines durch die Nazis verhängten Briefverbots am 5. April 1942 nach über dreijähriger Trennung einen letzten Brief an ihren mittleren Sohn:

„Lieber Siegfried! Deine Karte vom 29. erreichte uns noch und [wir] freuten uns besonders, dass wir von Dir nochmals ein Lebenszeichen hatten. Es freut mich, dass Du gesund bist, auch wir sind es G.l. [=gottlob]. Auch wir gedachten die Feiertage ganz besonders an Euch, waren sie doch lange nicht wie sonst. Die letzten Tage werden wir wohl nicht mehr hier sein. Lebe wohl, bleibe gesund und sei herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner dich immer liebenden Mutter.“

Am 24. April 1942 wurde Paula Neustädter zusammen mit ihrem Mann Gustav und ihrem jüngsten Sohn Ernst ins Ghetto Izbica bei Lublin deportiert. Wie und wann sie dort oder in einem der nahen Vernichtungslager zu Tode kam, ist nicht zu ermitteln.
 

Stolperstein-Pate: Deutscher Frauenring
Text: Andreas Reuter

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