SALLY MAYER (1889 - ?), Arzt, Kurhausstraße 12

Der Arzt Dr. Sally Mayer wurde am 7. Juni 1889 in Mayen bei Koblenz als Sohn des Metzgermeisters Daniel Mayer und dessen Ehefrau Sybilla Gottschalt geboren. Nach Besuch der Volksschule und des Gymnasiums studierte er Medizin an der Universität Würzburg. Nach dem Staatsexamen im Jahr 1913 absolvierte er ein einjähriges Praktikum in Köln. Während dieser Zeit veröffentlichte er im Mai 1914 seine Dissertation. Nach dem Praktikum wurde er Assistenzarzt am Städtischen Krankenhaus im mittelfränkischen Fürth.
 




Im Oktober 1914 meldete er sich im Ersten Weltkrieg als Kriegsfreiwilliger zum Heer und war ab Mai 1915 Unterarzt im 2. Königlich Bayerischen Pionier-Bataillon. Im letzten Kriegsjahr 1918 war er als Stabsarzt tätig. Für seine Verdienste erhielt er das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse, den Bayerischen Militärverdienstorden, das Verwundetenabzeichen und sogar noch 1934 das erst vom Nazi-Regime gestiftete „Ehrenkreuz des Weltkrieges“, das sogenannte „Frontkämpferkreuz“ für Teilnehmer des Ersten Weltkrieges.

Nach Kriegsende kehrte er nach Fürth zurück und nahm die Stellung als Assistenzarzt wieder auf. Ende des Jahres 1920 ließ er sich als praktischer Arzt nieder und wurde Mitglied in der Fürther Einwohnerwehr - wohl im Einsatz gegen die damalige Räteherrschaft. Am 23. März 1923 zog er nach Bad Kissingen und heiratete am 26. März 1923 die Kissinger Stadtratstochter Irma Bretzfelder. Seitdem praktizierte er als praktischer Arzt und Badearzt in Bad Kissingen in der Bismarckstraße 12a (heute 32) in der „Villa Holländer“, dem Kurheim seiner Schwiegereltern. Ab 1927 war er, als einer von vier jüdischen Ärzten in Bad Kissingen, auch als Kassenarzt zugelassen, damals - in Zeiten des Ärzteüberschusses - eine Besonderheit. Später verlegte er Praxis und Wohnsitz in die heutige Kurhausstraße. Seine fachliche Qualifikation bescherte ihm hohe Patientenzahlen und machte ihn wohlhabend.

In Bad Kissingen war Sally Mayer Vorstandsmitglied im Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten und – wie viele andere Juden – von 1926 bis 1928 Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die die republikanische Staatsform unterstützte. 1931 veröffentlichte er sein wissenschaftliches Werk „Paracelsus - der Badearzt und die Balneologie seiner Zeit“. Trotz der amtlichen „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen“ vom 22. April 1933, die einem Berufsverbot für jüdische Ärzte gleichkam, erhielt Sally Mayer als verdienter Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs noch eine Ausnahmegenehmigung. Allerdings begannen auch in Bad Kissingen die gegen Juden gerichteten Ausschreitungen und am Abend des 15. Januar 1935 wurde von der Straße aus zweimal ins Wohnzimmer des Hauses Bretzfelder/Mayer geschossen.

Nach Inkrafttreten der „Nürnberger Gesetze“ im September 1935 nahmen die Diskriminierungen weiter zu, Mayers Patientenstamm verringerte sich und seine Einnahmen gingen zurück, doch er praktizierte unter erschwerten Bedingungen weiter. Erst mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 25. Juli 1938 erlosch seine Approbation zum 30. September desselben Jahres, weshalb er – fast 50 Jahre alt – nur noch als sogenannter „Krankenbehandler“ ausschließlich für jüdische Patienten in Bad Kissingen und Umgebung tätig sein durfte. Ab 26. Oktober 1938 wohnten das Ehepaar und die Schwiegereltern in der Adolf-Hitler-Straße 12, heute Kurhausstraße 12.

In der Pogromnacht des 9. November 1938 gehörte er zu jenen 28 Bad Kissinger Juden, die in „Schutzhaft“ genommen wurden. Zunächst wurde er nach Würzburg, später ins KZ Dachau verbracht. Noch in Würzburg hatte er sich am 14. November 1938 im Gestapo-Verhör verpflichten müssen, schnellstmöglich nach Amerika auszuwandern. Bis zur Ausreise wollte er die Leitung eines israelitischen Altersheimes in Frankfurt am Main übernehmen. Erst vier Wochen nach seiner Einlieferung ins KZ wurde Sally Mayer am 10. Dezember 1938 wie alle Inhaber des Frontkämpferkreuzes aufgrund eines speziellen Göring-Erlasses aus Dachau entlassen. Ihm wurde zur Auflage gemacht, bis zu seiner Auswanderung die jüdischen Kranken in und um Bad Kissingen zu betreuen. Doch Mayers Bemühungen um Emigration zu einem Vetter in den USA blieben ohne Erfolg: Die im Februar 1939 beantragten Reisepässe für sich und seine Ehefrau blieben aus.

Am 15. März 1939 trat Dr. Sally Mayer – nach seinem Ende Februar gestellten Antrag bei der Gestapo – als „Krankenbehandler“ in Würzburg die Nachfolge von Dr. Bernhard Gutmann an und übernahm im Stadtteil Frauenland die Leitung des Kranken- und Altersheims der Israelitischen Kranken- und Pfründnerhausstiftung in der Dürerstraße 20. Privat wohnte Mayer gleich nebenan im Haus Konradstraße 7, vor dessen Tür seit einiger Zeit schon ein Stolperstein zu seinem Andenken liegt. Mayers restliches Vermögen wurde „arisiert“. Als 1941 die Transporte in die Konzentrationslager begannen, gehörte auch deren ärztliche und emotionale Betreuung am Würzburger Bahnhof und an der Deportationssammelstelle für alle Juden aus Mainfranken zu Mayers Aufgaben.

Am 23. September 1942 begleiteten er und Ehefrau Irma – nach eigenem Antrag auf „Verlegung des Wohnsitzes“ – seine verbliebene Gruppe meist alter und hilfloser Patienten ins KZ Theresienstadt. Im Wissen um seine bevorstehende Deportation ersuchte er eine Woche zuvor die amtlichen Stellen um eine Erweiterung der Gepäckvorschrift, um seine medizinische Ausrüstung nach Theresienstadt mitnehmen und im KZ seine ärztliche Tätigkeit fortsetzen zu können. Doch seine vollständige Ausrüstung und sein verbliebenes Vermögen wurden beschlagnahmt. Ungeachtet dessen war Dr. Sally Mayer im KZ Theresienstadt ärztlich tätig und wurde von seiner Ehefrau Irma als Krankenschwester unterstützt. Nach zweijährigem Aufenthalt wurden Sally und Irma Mayer am 19. Oktober 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo beide zu Tode kamen. Dr. Sally Mayer gilt offiziell als „verschollen in Auschwitz“.


Stolperstein-Pate: Andreas und Nadine Schloßbauer
Text: Sigismund von Dobschütz

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