Alfred Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha

Mysteriöse Unterschrift
Nur mit seinem Vornamen verewigte sich „Alfred“ im August des Jahres 1890 im Goldenen Buch. Der kleine, aber aufwändig geschwungene Namenszug befindet sich direkt zwischen den beiden Einträgen der Familie Fürst Otto von Bismarcks im gleichen und folgenden Jahr. Die Unterschrift mit einzig dem Vornamen schließt aus, dass sich dahinter ein „einfacher“ Kurgast verbirgt – vielmehr weist sie darauf hin, dass es sich hier um einen Vertreter des Hochadels handeln muss, der weder Nachnamen noch Titel ausschreiben wollte – oder dies aufgrund seines Bekanntheitsgrads musste.
Sucht man also in den Bad Kissinger Kurlisten des Sommers 1890 stur nach einem „Alfred“, wird man zunächst nicht fündig. Die einzigen genannten Vertreter dieses Namens sind Kurgäste, die zwar gegebenenfalls bereits mehrere Kuraufenthalte hinter sich gebracht haben, aber aufgrund ihres Standes mit ihrem vollen Namen unterschreiben würden. Keiner dieser Kurgäste kommt in Frage, „Alfred“ zu sein. Am 9. August reiste jedoch der „Herzog von Edinburg“ mit Gefolge an – in den Kurlisten wird dessen Vorname nicht aufgeführt, allerdings kann mit minimalem Rechercheaufwand festgestellt werden, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um den gesuchten Alfred handelt, und zwar Alfred Duke von Edinburgh und später Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, zweiter Sohn der britischen Königin Victoria und Bruder des späteren Königs Edward VII. Handelt es sich hierbei also um den gesuchten „Alfred“? Diese Vermutung kann bestätigt werden. Am 19. August, dem Datum des Eintrags, weilte der Herzog noch in der Kurstadt. Bisher sind die Kuraufenthalte des Herzogs von Edinburgh in Bad Kissingen in der Sekundärliteratur zur Kurstadt kaum erforscht.
Alfred, der zweite Sohn Königin Victorias, wurde 1844 geboren. Im Jahr 1866 erhielt er den Titel Herzog von Edinburgh. 1893, nach dem Tod seines Onkels Ernst II., fiel das Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha an Alfred. Edward, der britische Thronfolger, hatte auf das Herzogtum verzichtet. Alfred nahm ab diesem Zeitpunkt Residenz in Coburg als regierender Herzog.[1] Seine Anrede „His Royal Highness“ (Seine Königliche Hoheit) führte er auch weiterhin bis zu seinem Tod[2], was seinen Status als „Ausländer“ in der deutschen Adelslandschaft unterstrich.
Im Juli 1900 wurde bei Herzog Alfred Kehlkopfkrebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, dem er wenige Tage später erlag.[3]
Mit dem Tod Alfreds im Jahr 1900 erlosch der Titel des Duke of Edinburgh auf einige Zeit. Sein nächster Träger wurde Philipp Mountbatten, der Prinzgemahl von Queen Elizabeth II.
Der Titel des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha fiel nach Alfreds Tod zunächst an seinen jüngeren Bruder Herzog Arthur von Connaught. Dieser verzichtete aus mehreren Gründen auf das Herzogtum. Es fiel dann an Charles Edward, den Neffen Alfreds, der bis zum Ende des Herzogtums 1918 regierte.[4]
Der Kuraufenthalt 1890 in Bad Kissingen
Alfred Herzog von Edinburgh und Sachsen-Coburg-Gotha reiste mit einer fünfköpfigen Entourage an, darunter Major Maitland-Kirwan und sein Privatsekretär Mr. G.F. Bambridge, die gemeinsam mit ihm im Königlichen Kurhaus logierten.[5] Die Saale-Zeitung, die den Aufenthalt des Herzogs in mehreren Berichten dokumentierte, schrieb hierzu: „Am Samstag traf seine Königl. Hoheit der Herzog von Edinburg, ein Stammgast unseres Badeortes, zum Kurgebrauche dahier ein.“[6] In den 1880er Jahren hatte der Herzog bereits mehrere Kuraufenthalte in Bad Kissingen verbracht. Zu einem seiner ersten Besuche im Jahr 1882 begleitete ihn seine Gemahlin Maria, die Tochter des russischen Zaren Alexander II.[7] Bei mehreren Aufenthalten war sein Sohn Prinz Alfred dabei.[8] Bis 1893 besuchte er als „Herzog von Edinburgh“ regelmäßig die Kurstadt. Ab Ende 1893 führte er dann seinen neu verliehenen Titel „Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha“ und trug sich ein Jahr später erneut in das Goldene Buch ein – die Ähnlichkeit der Unterschriften von 1890 und 1894 lässt keinen Zweifel mehr an der Zuordnung des ersten Eintrags. Der Herzog war bis zu seinem Tod im Jahr 1900 fast jährlich zur Kur in Bad Kissingen, meist mit nur wenigen Begleitpersonen.[9] Er weilte stets im Königlichen Kurhaus, an der Stelle, an der zur Zeit die Vorbereitungen zum Bau des Hotels Sonnenhof laufen.[10]
Über den Kuralltag des Herzogs ist wenig bekannt, allerdings berichtete die lokale Presse über seine – wohl sehr angenehme – Begegnung mit Fürst Otto von Bismarck im Sommer 1890, der zur gleichen Zeit gemeinsam mit seinem Sohn Herbert in Bad Kissingen kurte: „Se. Durchlaucht Fürst Bismarck und Excellenz Graf Herbert Bismarck folgten gestern Abend 6 Uhr einer Einladung zur Tafel bei Sr. Kgl. Hoheit dem Herzog von Edinburg im Kgl. Kurhause. Nach Beendigung derselben konnte man den Fürsten, behaglich eine lange Pfeife rauchend, in der Nähe der offenen Balkonthüre mit dem Herzoge sitzen sehen.“[11] Hat Otto von Bismarck bei Besuchen anderer Kurgäste bei seinen früheren Kuraufenthalten eine dezente Zurückhaltung gezeigt, so nahm er im Jahr 1890 mehrere Einladungen an;[12] der Besuch bei Herzog Alfred stellte hierbei eine der prominentesten Zusammenkünfte des Jahres in der Kurstadt dar. Der Aufenthalt des Herzogs in diesem Jahr nahm am 30. August nach drei Wochen sein Ende. Die Saale-Zeitung vermerkte einen Tag später schlicht: „Se. Kgl. Hoheit der Herzog von Edinburg ist gestern Nachmittag abgereist.“[13] Über die Eintragung ins Goldene Buch am 19. August 1890 schrieb die Saale-Zeitung nichts – womöglich wurde das Ereignis von der Unterschrift Otto von Bismarcks überlagert, die wenige Tage vorher stattgefunden hatte.
[1] Harald Sandner: Coburg im 20. Jahrhundert. Die Chronik über die Stadt Coburg und das Haus Sachsen-Coburg und Gotha vom 1. Januar 1900 bis zum 31. Dezember 1999. Von der "guten alten Zeit" bis zur Schwelle des 21. Jahrhunderts. Coburg 1999. S. 18.
[2] Vgl. Kurliste der Stadt Bad Kissingen. 1899. No. 140, 28.06.1899.
[3] Sandner: Coburg im 20. Jahrhundert. S. 18.
[4] Ebd. S. 18f., S. 67.
[5] Kurliste der Stadt Bad Kissingen. 1890. No. 206, 09.08.1890.
[6] Saale-Zeitung. Nr. 181 vom 12. August 1890.
[7] Kurliste der Stadt Bad Kissingen. 1882. No. 172, 04.08.1882.
[8] Ebd. 1885. No. 88, 20.07.1885. und: Ebd. 1892. No. 217, 17.08.1892.
[9] Ebd. 1893 (No. 139, 11.07.1893), 1894 (No. 128, 07.07.1894), 1896 (No. 140, 10.07.1896), 1897 (No. 25, 17.05.1897), 1898 (No. 129, 25.06.1898), 1899 (No. 140, 28.06.1899)
[10] Vgl. Ebd.
[11] Saale-Zeitung Nr. 188 vom 21. August 1890.
[12] Ebd. Nr. 195 vom 29. August 1890.
[13] Ebd. Nr. 197 vom 31. August 1890.