8730 Alumni Netzwerk Bad Kissingen

Alumni stellen sich vor: Michael Tröster


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Steckbrief: Michael Tröster

Geburtsjahr 1978
Letztbesuchte Schule in Bad Kissingen Jack-Steinberger-Gymnasium
Schulabschluss im Jahr Abitur in 1997
Studium Zuerst Deutsch, Politik und Geschichte (Magister), dann Politikwissenschaft (Diplom) mit Volkswirtschaftslehre im Nebenfach
Heute tätig als Landesdirektor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Äthiopien
(Wohnort) Arbeitsort, Land Addis Abeba, Äthiopien

Interview: Michael Tröster

Alumni-Netzwerk: Michael, du hast 1997 dein Abitur in Bad Kissingen gemacht. Hand aufs Herz: Bist du gern in die Schule gegangen? Erzähl doch mal ein bisschen…

Michael Tröster: Ganz ehrlich: Ja, ich bin ziemlich gerne zur Schule gegangen. Ich finde, wir waren ein super Jahrgang, mit starken, kritischen Individuen und besonderem Zusammenhalt. Viele von uns haben immer noch guten, teils sehr engen Kontakt. Vielleicht unterscheidet das Klassengemeinschaften in Kleinstädten von denen in Großstädten: Gerade, weil es für junge Menschen (gefühlt) in Bad Kissingen damals ein begrenztes Angebot gab, hat uns das zusammengeschweißt und Freundschaften hervorgebracht, die ein Leben halten. Rückblickend haben wir es uns auf jeden Fall nett und das Beste draus gemacht.

Alumni-Netzwerk: Gab es Lehrerinnen und/oder Lehrer, die deine spätere Berufsentscheidung maßgeblich beeinflusst haben? Wenn ja, welche bzw. welcher und warum?

Michael Tröster: Klar, es gab ein paar prägende Personen für mich. Einer von ihnen war Karl-Heinz Bohrer. Wir hatten vier Jahre lang gemeinsamen Unterricht in Ethik - ein besonderes Fach, bei dem es Herrn Bohrer gelungen ist, einen offenen Raum zu schaffen für philosophisches Nachdenken, für kritisches Hinterfragen, unkonventionelle Ideen und persönliche Entfaltung. Prägend in seiner menschlichen wie fachlichen Art war auch Erich Grosch. Er war mit ein Grund aus dem ich mich nach meinem Zivildienst zunächst für ein Studium der Germanistik und Geschichte entschieden hatte.

Alumni-Netzwerk: Wie sahen deine Stationen nach der Schulzeit aus?

Michael Tröster: Ich bin zuerst für meinen Zivildienst an der Uniklink nach Würzburg gezogen - was mich übrigens von meinem ursprünglichen Berufswunsch Medizin abgebracht hat. Danach ging es zum Studium erst nach Freiburg, dann weiter zu einem Erasmus-Jahr nach Dublin (Irland) und schließlich nach Berlin. Dort habe ich mein Studium mit einem Diplom in Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität abgeschlossen habe. Zwischendurch haben mich Praktika unter anderem nach Singapur und zur UN nach Myanmar geführt. Nach meinem Studium habe ich angefangen, erstmals für die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Berlin und dann in Bonn zu arbeiten. 2008 habe ich dann eine Stelle beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) angenommen, und war von 2011 bis 2015 für das Auswärtige Amt an der Deutschen Botschaft in Maputo, Mosambik, eingesetzt. Danach sind meine Familie und ich wieder nach Bonn ins BMZ zurückgekehrt und haben nach vier Jahren entschieden, mit noch jüngeren Kindern erneut für einige Jahre im Ausland zu arbeiten. Seit 2019 bin ich aus "dienstlichen Gründen" vom BMZ beurlaubt und leite das Auslandsbüro der FES in Äthiopien. Wenn wir dann, voraussichtlich 2023, nach Deutschland zurückkommen, wird es uns vermutlich alle zusammen nach Berlin verschlagen.

Alumni-Netzwerk: Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?

Michael Tröster: Ich habe bisher beruflich recht viele unterschiedliche Aufgaben übernommen. Ein Teil der Arbeit findet dabei immer am Computer statt: Es ist immer viel E-Mail-Korrespondenz zu erledigen, aber auch politische Papiere müssen geschrieben werden, Konzepte für Projekte entworfen werden. Ich verbringe auch recht viel Zeit in Sitzungen, um mich mit meinem eigenen Team, anderen Büros in der Region oder der "Zentrale" in Berlin abzustimmen. Und ich führe viele Gespräche mit unseren Partnerorganisationen, mit denen wir in Äthiopien zusammen Projekte umsetzen. Dabei arbeiten wir mit hochrangigen Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertretern genauso zusammen wie mit Universitäten, Denkfabriken der nichtstaatlichen Organisationen, die versuchen, den politischen Übergang in Äthiopien mitzugestalten. Das ist vielleicht der spannendste und beste Teil des Jobs: Dass ich mich mit vielen beeindruckenden Menschen und Persönlichkeiten austauschen kann und mit ihnen arbeiten darf. Da sind richtig viele tolle und auch unglaublich mutige Leute dabei. Wir alle versuchen, einen kleinen Beitrag zu leisten, um das (Zusammen-)Leben von Menschen etwas besser zu machen. Die Leitung eines Büros mit knapp 20 äthiopischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist ebenfalls eine besondere Aufgabe. Neben der "großen Politik" stehen da häufig ganz praktische Fragen auf der Tagesordnung, wie natürlich die saubere und transparente Abrechnung von jedem Euro, den wir hier ausgeben, Gehaltsverhandlungen - oder aber ganz triviale Instandhaltungsarbeiten im Büro wie die Auswahl der richtigen Papierhandtuchhalter...

Alumni-Netzwerk: Gibt es eine Anekdote aus der Schulzeit oder aus der Zeit in Bad Kissingen, die du mit uns teilen willst?

Michael Tröster: Oh, es gibt viele tolle Erinnerungen an diese Zeit. Gerade an viele Nächte, die wir gemeinsam mit Freunden draußen verbracht haben, am Bismarck-Turm, auf der Ilgenwiese, beim ersten ‚Umsonst und Draußen‘ in Bad Kissingen, am Café Jagdhaus oder die Übernachtungen auf dem Schulhof vor den Ferien. Ich glaube, all das wäre in anonymeren Großstädten so nicht möglich. Auch die vielen Schüleraustausche mit Massa, Vernon, Birmingham oder die Reisen mit den Jungen Europäern nach Frankreich oder Osteuropa waren prägend - und definitiv nie langweilig. Aus all dem eine einzige Anekdote herauszupicken würde mir schwerfallen.

Alumni-Netzwerk: Was war das Beste, das dir im (Berufs-)Leben widerfahren ist?

Michael Tröster: Ich bin dankbar, dass ich in meinem Beruf an der Lösung internationaler Zukunftsfragen und in einem internationalen Kontext arbeiten darf. Highlights waren da sicherlich die Teilnahme an Sitzungen und UNO-Verhandlungen in New York, wo mit damals noch 192 Staaten um gemeinsame Positionen gerungen wurde. Aber auch die Erfahrungen, als Leiter für die Deutsche Entwicklungszusammenarbeit in der Botschaft in Mosambik Deutschland gegenüber anderen Ländern und der dortigen Regierung zu vertreten war eine spannende Erfahrung. Politisch das spannendste war vielleicht, dass ich vor meiner Ausreise nach Äthiopien im Büro des Staatssekretärs im BMZ eine Projektgruppe leiten durfte mit dem Ziel, die Arbeit des Ministeriums neu aufzustellen. Das war eine sehr fordernde, aber auch eine einmalige Erfahrung, bei der ich viel gelernt habe. Aber auch die Arbeit an und Reisen nach Afghanistan, ein Fußballprojekt für Fans während der Fußball-WM 2006 in Deutschland und die Entwicklung des Wahl-o-Mat im Rahmen eines studentischen Projekts in Berlin waren prägende Wegmarken, die ich nicht missen möchte. Und privat sind natürlich meine Familie und unsere beiden tollen Töchter das Beste, was ich mir wünschen konnte.

Alumni-Netzwerk: Was würdest du heutigen Schulabgängerinnen und Schulabgängern raten?

Michael Tröster: Schaut Euch die Welt an! Nehmt Euch die Zeit und sucht nach Möglichkeiten, persönliche und berufliche Erfahrungen zu sammeln - auch und gerade im Ausland. Das öffnet und prägt den eigenen Horizont. Ein Blick von außen auf Deutschland hilft auch wertzuschätzen, was wir hier an Lebensqualität haben - und wie eng diese mit anderen Teilen der Welt und unseren europäischen Nachbarn verwoben ist. Eine Perspektive von außen schärft auch den Blick darauf, was man besser machen kann und wo andere schon viel weiter sind - und wie wichtig es ist, mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten, um gemeinsam internationale Ziele zu erreichen. All das macht auch ein bisschen demütig und hilft auch dabei, bestimmte Dinge etwas gelassener zu nehmen...

Alumni-Netzwerk: Wie könnten Voraussetzungen aussehen, unter denen du nach Bad Kissingen zurückkehren würdest?

Michael Tröster: Eine zentrale Frage ist die von passenden Jobs und Beschäftigungsmöglichkeiten. Für das, was ich aktuell tue, gibt es vermeintlich nur begrenzt berufliche Entsprechungen in Bad Kissingen. Aber natürlich gibt es andere Dinge, die die Stadt sehr attraktiv machen: Die tolle Natur, die Nähe zu den Großeltern, wenig Verkehr und die im Vergleich zu Großstädten niedrigen Wohnungs- und Lebenshaltungskosten. Das sind Themen, die zunehmend wichtiger werden. Letztlich bleibt eine Frage, wie jeder Einzelne von uns leben will, was ihm persönlich wichtig ist. Bad Kissingen ist eine wunderschöne Stadt mit hoher Lebensqualität und mit für seine Größe beeindruckendem kulturellen Angebot. Aber es gibt auch berufliche Chancen und soziale wie kulturelle Angebote, bei denen Bad Kissingen vermutlich nicht mit größeren Städten aufschließen kann.

Alumni-Netzwerk: Hast du eine Botschaft oder einen Gruß an die anderen Bad Kissinger Alumni und an Bad Kissingen?

Michael Tröster: Vielen Dank an Bad Kissingen, vielen Dank an viele von Euch für die wertvollen und prägenden Gespräche, Inspirationen und Erlebnisse in den ersten zwanzig Lebensjahren. All das hat mich geformt - und hilft bis heute bei allem Nomadentum immer wieder bei der Erdung und dem Erkennen des Wesentlichen. Bad Kissingen ist nicht nur Welterbe - es bleibt auch Heimat.

Alumni-Netzwerk: Vielen Dank für dein Interview und alles Gute.

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